Typ: VfGH Beschluß

Datum: 19940926

Sammlungsnummer: 13850

Geschäftszahl: B771/94

 

Index

10    Verfassungsrecht

10/10 Grundrechte, Datenschutz, Auskunftspflicht

 

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Bescheid;

VolksgruppenG §16;

AVG §62 Abs1;

VfGG §82 Abs1;

 

Leitsatz

Zurückweisung einer Beschwerde mangels eines tauglichen

Beschwerdegegenstandes; keine ordnungsgemäße Zustellung der dem

Beschwerdeführer ausschließlich in kroatischer Sprache zugestellten

Erledigung im Sinne des VolksgruppenG

 

Spruch

   Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

 

   Der Antrag, die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur

Entscheidung abzutreten, wird abgewiesen.

 

 

Begründung

Begründung:

 

   1. Am 19. April 1994 brachte der Einschreiter, ein

Rechtsanwalt, eine ausdrücklich auf Art144 Abs1 B-VG gestützte

Beschwerde ein, und zwar "gegen den Bescheid des Amtes der

Burgenländischen Landesregierung vom 19. Jänner 1994". Begründend

brachte er ua. vor, im Verwaltungsverfahren sei bis zur

Zustellung des angefochtenen Bescheides das Recht auf Verwendung

der Amtssprache Kroatisch verletzt worden. Beigelegt war ein mit

"Rjesenje" überschriebenes, in kroatischer Sprache abgefaßtes

Schriftstück, das mit "Eisenstadt, 19.1.1994" datiert ist und die

Geschäftszahl "Broj: VI/2-V-209/2-1994" trägt.

 

   2. Die Beschwerde ist nicht zulässig.

 

   2.1. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof kann gemäß

Art144 Abs1 B-VG nur "gegen Bescheide der Verwaltungsbehörden"

erhoben werden, und zwar gemäß §82 Abs1 VerfGG 1953 "innerhalb

einer Frist von sechs Wochen nach Zustellung des in letzter

Instanz ergangenen Bescheides". Eine zulässige Beschwerde setzt

daher voraus, daß überhaupt ein Bescheid vorhanden ist, dh.

erlassen wurde. Erlassen ist er nach dem - hier anzuwendenden -

§62 Abs1 AVG mit seiner Zustellung oder mündlichen Verkündung.

 

   2.2.1. In dem vom belangten Landeshauptmann von Burgenland

vorgelegten Verwaltungsakt finden sich der approbierte Entwurf

eines Bescheides vom 19. Jänner 1994 mit der zuvor genannten

Geschäftszahl und - im Anschluß daran - eine Übersetzung dieses

Schriftstücks ins Kroatische, welche der vom Beschwerdeführer

vorgelegten Beilage entspricht.

 

   Das Original des Entwurfes enthält folgende handschriftliche

Zustellverfügung: "Erl. ... deutsche u. kroatische Ausf. (in

Kopie) mit Rsb abfertigen". Die Wortfolge "deutsche u." ist

gestrichen und durch das Wort "in" ersetzt.

 

   2.2.2. Diese Erledigung in kroatischer Übersetzung wurde dem

Beschwerdeführer - wie verfügt - nach dem im Akt erliegenden

Rückschein am 8. März 1992 zugestellt. Nichts deutet darauf hin,

daß ihm auch eine Ausfertigung in deutscher Sprache zugekommen

wäre. Nach den Beschwerdebehauptungen und nach dem Inhalt des

Verwaltungsaktes wurde das Verwaltungsverfahren gemäß §15

VolksgruppenG, BGBl. 396/1976, zumindest teilweise (auch) in

kroatischer Sprache geführt. Gemäß §16 VolksgruppenG sind

"Entscheidungen und Verfügungen ..., die zuzustellen sind und die

in der Sprache einer Volksgruppe eingebrachte Eingaben oder

Verfahren betreffen, in denen in der Sprache einer Volksgruppe

bereits verhandelt worden ist, ... in dieser Sprache und in

deutscher Sprache auszufertigen". Die Vorgangsweise der belangten

Behörde, ihre Erledigung dem Beschwerdeführer nur in kroatischer

Sprache zuzustellen, verstieß daher gegen das Gesetz. Der

Verfassungsgerichtshof sprach in VfSlg. 9744/1983 aus, daß "erst

mit Zustellung des Bescheides ... in beiden Sprachen, dh. sowohl

in der Staatssprache als auch in der Volksgruppensprache, ...

eine ordnungsgemäße 'Zustellung' iS des Volksgruppengesetzes

vor(liegt), welche die Rechtsmittel-...Frist in Gang setzt". Da

die angefochtene Erledigung dem Beschwerdeführer - nach der

Aktenlage - nur in kroatischer Sprache zugestellt wurde, liegt

somit keine ordnungsgemäße Zustellung vor.

 

   2.2.3. Zwar kann eine Beschwerde gegen einen Bescheid bereits

erhoben werden, bevor er dem Beschwerdeführer zugestellt oder

verkündet wurde (vgl. VfSlg. 9068/1981, 10637/1985), doch muß er

überhaupt erlassen, dh. einer (anderen) Partei zugestellt oder

verkündet worden sein (vgl. Oberndorfer, Die österreichische

Verwaltungsgerichtsbarkeit (1983) 96). Davon kann im

Beschwerdefall nach der Aktenlage keine Rede sein.

 

   Da es somit an einem tauglichen Anfechtungsgegenstand fehlt,

war die Beschwerde zurückzuweisen.

 

   2.3. Der Antrag, die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur

Entscheidung abzutreten, mußte abgewiesen werden, weil eine

solche Abtretung nur im - hier nicht gegebenen - Fall einer

Abweisung der Beschwerde oder bei Ablehnung ihrer Behandlung in

Betracht kommt (zB VfSlg. 12806/1991).

 

   2.4. Dieser Beschluß konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lita VerfGG

1953 ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt

werden.

 

 

Schlagworte

Bescheidbegriff, VfGH / Bescheid, Zustellung, Volksgruppen

 

 

Dokumentnummer

JFT/10059074/94B00771/2