2. ENTSCHEIDUNG NR. 2 VOM 18. FEBRUAR 1998 ZU VS NR. 15/97

            Mit der Entscheidung in diesem Verfahren, eingeleitet auf Antrag von 50 Abgeordneten der 38. Volksversammlung, vertritt das Gericht die Ansicht, dass die Vorschriften der Art.7, 8, 9, 10 und 11 der Rahmenkonvention zum Schutz der nationalen Minderheiten, unterzeichnet am 9. Oktober 1997, wie auch die Konvention als Ganzes, in Übereinstimmung mit der Verfassung der Republik Bulgarien stehen.

 

            Zur Übereinstimmung des Begriffs der Konvention nationale Minderheiten” mit der Verfassung der Republik Bulgarien und zur Geltung der Konvetion.

            Das Gericht stellt fest, dass im bulgarischen Recht und im Völkerrecht eine für die Republik Bulgarien juristisch verbindliche Bestimmung des Begriffs “nationale Minderheiten nicht vorhanden ist. Auch in der Konvention ist eine solche Bestimmung des Begriffs nicht gegeben.

            Das Gericht ist der Ansicht, dass der Wille der Vertragsstaaten bei dem gegenwärtigen Stand der völkerrechtlichen Regelung in die Richtung geht, den Inhalt des in Frage kommendes Begriffs, der Beurteilung der einzelnen Vertragsstaaten zu überlassen.

            Das Gericht schließt sich der Ansicht an, dass die Konvention keine kollektiven Rechte schafft, und auch keine solchen Rechte schützt. Die gemeinsam ausgeübten Rechte sind solche der Einzelnen. Ein Widerspruch zwischen der Konvetion und der Verfassung ist in dieser Hinsicht nicht möglich.

 

            Zum Art.7 der Konvention.

            Die Freiheit sich zu vereinen, so wie sie im Art.7 der Konvention geregelt ist, unterscheidet sich inhaltlich nicht von der im Art.44, Abs.1 der Verfassung proklamierten Freiheit. Die Freiheit sich zu vereinen, hat einen allgemeinen Charakter. Sie ist ein individuelles Menschenrecht aller Personen, ohne Rücksicht auf mögliche ethnische, religiöse oder sprachliche Unterschiede zwischen ihnen. Die Beschränkung der Freiheit auf Vereinigung ist nur aufgrund der in der Verfassung oder in den völkerrechtlichen Verträgen genannten Gründen zulässig.

 

            Zum Art.8 der Konvention.

            Die Glaubensfreiheit ist ausdrücklich in der Verfassung und in den für Bulgarien verbindlichen völkerrechtlichen Verträgen proklamiert.

            Beschränkungen der Glaubensfreiheit sind nur zum Schutz ausdrücklich genannter Verfassungswerte – nationale Sicherheit, öffentliche Ordnung, Volksgesundheit, Moral, Rechte und Freiheiten anderer Bürger, Menschenwürde – zulässig. Es liegt immer ein grober Verstoß gegen die Verfassungsgrundprinzipien, die ihren Niederschlag in zahlreichen Vorschriften der Verfassung gefunden haben, falls religiöse Gemeinschaften und Institutionen oder Religionsbekentnisse zur Predigung von Glaubensfundamentalismus und Extremismus gebraucht werden.

 

            Zum Art.9, 10 und 11 der Konvention.

            Die drei Vorschriften der Konvention regeln das Recht der zu nationalen Minderheiten gehörenden Personen, sich in der Minderheitssprache zu äußern, in dieser Sprache Auskunft zu erhalten und zu verbreiten, im privaten und öffentlichen Leben von dieser Sprache Gebrauch zu machen.

            Das Gericht meint, dass eine mögliche Nichtübereinstimmung zwischen den Begriffen Minderheitsspache im Sinne der Konvention und Muttersprache im Sinne der Verfassung , nur den Kreis der gemeinten Personen betreffen kann. Diese eventuelle Nichtübereinstimmung betrifft nicht das Wesen des Rechts auf Gebrauch der Minderheits- bzw. Muttersprache und kann daher nicht als Nichtübereinstimmung zwischen der Konvention und der Verfassung angesehen werden.

            Das Gericht unterstreicht, dass die Analyse der Vorschriften der Konvention, keine normative Nichtübereinstimmung mit der Verfassung aufdecken lässt. Im Erläuterungsbericht zur Konvention wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Pflichten der Vertragsparteien bezüglich des Gebrauchs von Minderheitssprachen keinesfalls den Status der offiziellen Sprache oder Sprachen des entsprechenden Landes berühren”.

 

            Zur Übereinstimmung der Konvention als Ganzes mit der Verfassung.

            Die in der Konvention aufgezählten Rechte und Freiheiten sind in der Verfassung auf der ihnen gebührenden Weise geregelt, bzw. geschützt.

            Sowohl in der Konvention, wie auch in der Verfassung, wird der Inhalt der geregelten Rechte und Freiheiten von den gegenwärtigen Standards der menschlichen Grundrechte bestimmt.

            Das Gericht ruft in Erinnerung, dass die Respektierung der Gebietseinheit ein Grundprinzip des Völkerrechts darstellt, das in derselben Eigenschaft auch im Art.2, Abs.2 der Verfassung proklamiert ist. Die Wahrnehmung der Rechte und Freiheiten nach der Konvention ist nur bei strenger Einhaltung dieses Prinzips möglich und zulässig. Das gilt sowohl nach der Konvention, wie auch nach der Verfassung.

            Das Gericht ist der Ansicht, dass die Regelung der Konvention das Prinzip der von der Verfassung proklamierten nationalen Einheit nicht berührt. Die nationale Einheit schließt religiöse, sprachliche und/oder ethnische Unterschiede zwischen den Bürgern der Republik Bulgarien aus.